Kein Radweg zwischen Wetter und Marburg?

Kaum ist eine sichere Radwegeverbindung zwischen Wetter und Lahntal/Marburg in Sicht, scheint es damit schon wieder vorbei zu sein.
Im Wetteraner Bau- und Umweltausschuss wurde am 15.04. und 13.05 die per Planfeststellung beschlossene Abstufung der Kreisstraße 81 zum Hauptwirtschaftsweg zwischen Wetter und Sarnau auf die Tagesordnung gesetzt.
In den Ausschusssitzungen wurden Stimmen laut, die Straße für den Kraftfahrzeugverkehr offen zu halten.

In der Sitzung am 15.04. gibt der Bürgermeister Spanka die beabsichtigte Rückstufung bekannt, woraufhin das Ausschussmitglied Scheele Bedenken äußert:

Es wird insbesondere auf die ehem. K81 zwischen Wetter und Niederwetter und weiterführend Richtung Sarnau eingegangen. Im Planfeststellungsbeschluss ist eine Abstufung zur Gemeindestraße bzw. Einziehung zum Wirtschaftsweg festgelegt. Diese Maßnahme wird voraussichtlich in den nächsten Wochen umgesetzt. Die Straße wird für den Durchgangsverkehr gesperrt und die Fahrbahn auf eine Breite von 3,50 m zurückgebaut sowie die Strecke als asphaltierter Radweg freigegeben.


Herr Dr. Scheele spricht die durch die Sperrung entstehenden neuen Verkehrsflüsse und ggf. Umwege an, die bisherige Nutzer dann nehmen müssen. Seiner Ansicht nach wäre dies aus klimapolitischer Sicht heute ggf. anders zu bewerten als zum Zeitpunkt der Planfeststellung. Der Bürgermeister stellt klar, dass eine Rücknahme der Abstufungs- bzw. Einziehungsverpflichtung nur durch eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses erreicht werden könne. Er stuft die Chancen hierfür als marginal ein, empfiehlt aber eine Entlastungsstraße vom Baugebiet „Marburger Grund“ zum Kreisel an der K84 zu errichten. Herr Drothler unterstützt dies und erkundigt sich nach dem Zeithorizont für eine Umsetzung. Aus Sicht des Bürgermeisters könnte die Maßnahme in einem überschaubaren Zeitraum umgesetzt werden.

Sitzungsniederschrift 15.04.

So wenige Worte und doch so aufregend:

  • „…Fahrbahn auf eine Breite von 3,50 m zurückgebaut sowie die Strecke als asphaltierter Radweg freigegeben.“
    • Ein Rückbau auf 3,5 Meter Breite könnte durchaus sinnvoll sein, ist allerdings nicht gefordert und keine Bedingung für eine Abstufung.
  • „wäre dies aus klimapolitischer Sicht heute ggf. anders zu bewerten…“
    • Es ist ersichtlich, dass der Fokus hier auf dem Automobil liegt. Aus ökologischer Sicht wäre es jedoch sinnvoller, den Radverkehr zu fördern, anstatt eine möglichst umwegefreie Infrastruktur für den Kfz-Verkehr zu schaffen.
  • „Bau einer Entlastungsstraße“
    • Ja, da ist man in Wetter schnell dabei! (siehe geplante Verbindung K123 zu den Supermärkten.). Abgesehen von der Tatsache, dass man mit Straßenbau allgemein den KFZ Verkehr fördert, hätte diese Maßnahme außerdem negative Auswirkung auf die Radverkehrsentwicklung. Über die Bedeutung der ehemeligen Landesstraße 3381 und einen Durchstich für den Radverkehr zum Baugebiet „Marburger Grund“ berichteten wir bereits 2020: https://marburg-biedenkopf-mobil.de/2020/01/08/oeffnung-der-landesstrasse-3381-fuer-den-radverkehr/
  • „Marginale Chance auf Änderung des Planfeststellungsbeschlusses“
    • Bürgermeister Spanka könnte statt des Verweises auf die Planfeststellung auch einfach Werbung für eine sichere Radverkehrsverbindung machen.

In der Sitzung am 13.05. geht es dann weiter:

Die Vorsitzende ruft den Tagesordnungspunkt auf und erkundigt sich nach Redebeiträgen.
Im Zuge der Verkehrsfreigabe des 1. Bauabschnittes der Ortsumgehung B 252 Münchhausen, Wetter und Lahntal wurde die Kreisstraße 81 zur Gemeindestraße abgestuft bzw. zum Wirtschaftsweg eingezogen. Infolge dessen ging die Straßenbaulast und die Unterhaltungspflicht auf die Stadt Wetter über. Der Übergang der Straßenbaulast setzt einen ordnungsgemäßen und verkehrssicheren Zustand der übergehenden Straße voraus. Seitens des Landkreises wurden fiktive Instandsetzungskosten an die Stadt Wetter gezahlt.
Aus haushalterischen Gründen konnten die Mittel nicht für die Instandsetzung der Straße eingesetzt werden. Die Kosten für den Rückbau der Straße zu einem 3,50 m breiten Wirtschafts-/Radweg hat die Stadt Wetter als Straßenbaulastträger zu tragen. Der I. Stadtrat teilt dazu mit, dass es über die Flurneuordnung der B 252 dazu grundsätzlich eine Förderung von 65 % der Kosten geben könnte.

Nachträglicher Hinweis:
Eine wiederholte Rückfrage beim Amt für Bodenmanagement Marburg (Herr Breitbarth) hat ergeben, dass für Straßen die in einem Flurbereinigungsgebiet liegen, für kurzfristige Maßnahmen keine Fördermittel gewährt werden können. Erst wenn das Verfahren eine gewisse Reife erreicht hat ist dies möglich – in ca. 5-6 Jahren! Im Ministerium wird derzeit eine neue Finanzierungsrichtlinie erarbeitet, wonach eine frühere Förderung ggf. möglich werden könnte.


Aus dem Ausschuss wird darauf hingewiesen, dass die Straße bei Nutzung als regionaler Radweg eine entsprechende Qualität aufweisen und in verkehrssicherem Zustand hergestellt sein muss. Durch die Schließung der Straße für den PKW- und LKW-Verkehr wird die Gefahr für die Schaffung eines Nadelöhrs in der Schulstraße gesehen. Die Straße wird derzeit in Stoßzeiten des Berufsverkehrs erheblich genutzt. Solange die endgültige Verkehrsfreigabe der MüWeLa nicht erfolgt ist, würde durch die Sperrung der Straße eine Verschärfung der Verkehrssituation in der Innenstadt geschaffen. Der I. Stadtrat teilt in diesem Zusammenhang mit, dass in der Dorfstraße in Niederwetter eine größere Kanalbaumaßnahme ansteht und spätestens bei Umsetzungsbeginn eine Sperrung der Straße unabdingbar ist.
Zur Entlastung des Innenstadtverkehrs wird erneut der Bau einer Entlastungsstraße vom Baugebiet „Marburger Grund“ in Richtung ehem. L 3081 nach Goßfelden angesprochen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass einzelne Maßnahmen zur Entlastung und Verteilung der Verkehrsströme nur auf Grundlage eines gesamtstädtischen Verkehrskonzepts umgesetzt werden sollten. Der Ausschuss formuliert schließlich folgende Prüfanfrage an den Magistrat: Wir bitten den Magistrat zu prüfen, die Straße, bis zur endgültigen Lösung aus einem gesamtstädtischen Verkehrskonzept, mit geringst möglichen Mitteln verkehrssicher zu machen und so lange wie möglich offenzuhalten, mindestens jedoch so lange bis zur endgültigen Verkehrsfreigabe der MüWeLa

Sitzungsniederschrift 13.05.

Es scheint echt schwer zu sein, eine Straße für den KFZ-Durchgangsverkehr einzuziehen. Freie Fahrt für freie Bürger, oder wie?
Der Ausschuss, der sich neben Bau- auch mit Umweltbelangen beschäftigen will, versucht eine Radverkehrsverbindung zu verhindern, die schon lange überfällig ist. Wir haben uns schon oft mit dieser Straße beschäftigt – Artikel im direktem Zusammenhang gibt es hier: https://marburg-biedenkopf-mobil.de/k81.
In einer Stellungnahme und einem Konzeptvorschlag haben wir schon im Sommer 2017 angeregt, die Kreisstraße 81 für den Radverkehr fit zu machen und die Einrichtung einer überörtlichen Fahrradstraße empfohlen. Die Verbindung stellt aus der Sicht von Radfahrenden die alternativlose Alltagsroute zwischen Wetter und dem Lahntal bzw. dem Oberzentrum Marburg dar. Über sie verlaufen außerdem die touristische Radrouten Lahn-Eder-Radweg, Otto-Ubbelohde-Radweg und Burgwald-Radweg.

Welch eine Mutlosigkeit auf fehlende Verkehrskonzepte zu verweisen, jetzt wo wo endlich eine Verbesserung der Situation für Radfahrende und zu Fuß Gehende erreicht werden könnte. Welche Veränderung sich durch die Fertigstellung der B252neu ergeben soll, ist übrigens ebenfalls diskussionswürdig!
Interessanterweise wird hier auch noch mit einer hohen Verkehrsbelastung argumentiert, die eigentlich eine rasche Verkehrsbeschränkung zum Schutz des Radverkehrs notwendig erscheinen lässt. Es ist fast schon Hohn, dass der Ausschuss bei Nutzung als regionaler Radweg auf eine entsprechende Qualität und einen verkehrssicherem Zustand hinweist. Liebe Damen und Herren: Was denken Sie, wo im Moment der Radverkehr zwischen Wetter und Lahntal stattfindet?

Die Bewohner des „Marburger Grunds“ erreichen schon jetzt gut die Anbindung B252neu, ohne über die Schulstraße zu fahren. Der Routenplaner von Google Maps zeigt die Fahrzeiten.

Routenplanung Google Maps – https://maps.app.goo.gl/L6ogTta83bwTBZxB6


Die vom Ausschuss bescheinigte erhebliche Nutzung der ehemaligen K81 in Stoßzeiten des Berufsverkehrs führt übrigens zu ebenso starker Nutzung der Dorfstraße Niederwetter und somit zu einer Belastung des Dorfkerns mit allen Konsequenzen für die Menschen dort. Das scheint aber kein Thema zu sein?

Die Stadt Wetter hatte genügend Zeit sich auf die Situation vorzubereiten. Warum das Thema also erst jetzt in den Ausschuss gerät ist unverständlich!
Hier eine kleine Geschichte der K81 aus kommunaler Sicht:

  1. Am 21. Februar 2012 beschließt die Stadtverordnetenversammlung Wetter, im Zuge der B252 bedingten Umwidmungen, folgende Stellungnahme: „Die K 81 zwischen Sarnau und Wetter wird als Wirtschaftsweg akzeptiert“.
  2. Im Jahr 2015 identifiziert die Stadt Wetter im Rahmen eines Kreisweiten Radwegenetzes folgende Einzelmaßnahme: „Nutzung der K81 (alt) als Radwegeverbindung“.
  3. Am 27 Nov 2017 beantwortet Bürgermeister Spanka eine Frage der IG Mobilität wie folgt:
    „Die K81 wird zwischen Niederwetter und Wetter wird abgestuft zum Wirtschaftsweg. Das bedeutet bis auf den landwirtschaftlichen und direkten Anliegerverkehr keine Kraftfahrzeuge mehr auf dieser Strecke. Der Bereich zwischen Niederwetter und Lahntal wird ebenfalls abgestuft, wobei noch eine Regelung für die Zufahrt zur Aumühle zwischen den Kommunen Lahntal und Wetter zu treffen ist. Grundsätzlich wird dieser Streckenabschnitt eine attraktive Fahrradroute (Freizeit) werden. Für die Umsetzung kann derzeit noch kein konkreter Zeitplan genannt werden, da sie sich an dem Bau der Ortsumgehung orientiert“.
  4. Am 01.01.2021 erging die Straßenbaulast oben genannter Abschnitte an die Stadt Wetter.
    Dies in Verbindung mit der Umwidmung eines Abschnittes zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben „Im Wiesental 7“ und „Schulstraße 94“ (Km 2,568 nach Km 3,306) als nicht öffentliche Straße (Wirtschaftsweg).
  5. Im Dezember 2021 klassifiziert ein (im Rahmen eines Verkehrskonzeptes beauftragtes) Planungsbüro die K81 bzw. Schulstraße als Direktroute und sieht für diese wichtige Radverkehrsverbindung ein Gefährdungspotenzial durch die KFZ-Verkehrsmengen.

Rückbau auf 3,5 Meter Breite

Rätselhaft bleibt auch, warum die fehlenden finanziellen Mittel für einen Rückbau auf 3,5 m Breite nun eine Abstufung verhindern sollen.
Ein Rückbau wäre nur dann verpflichtend, wenn er Teil einer ökologischen Ausgleichsmaßnahme wäre. Davon ist aber nicht die Rede.
Der Abstufungsplan von Hessen Mobil weist eine Abstufung zur Gemeindestraße bzw. zum Wirtschaftsweg aus. Auch in der Maßnahmenübersichtskarte findet sich lediglich der Hinweis „“künftig HWW mit B = 4,75 m“ (HWW steht für Hauptwirtschaftsweg).
Auch aus Sicht der Radverkehrsplanung des Landkreises gibt es keine dringende Notwendigkeit auf einen Rückbau.

Abstufungsplan Hessen Mobil
Maßnahmenübersichtskarte (Hessen Mobil)

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