Fahrradrouten in Hessen werden zurückgebaut

Ausgerechnet in Zeiten, in denen inzwischen fast jeder verstanden hat, dass man den Radverkehr massiv fördern sollte, tut sich im Lande Hessen absonderliches.

Hessen Forst – als hessicher Landesbetrieb – beginnt asphaltierte Forstwege zu entsiegeln und stattdessen mit einer wassergebunden Decke (Schotter) zu versehen.

Dies ist langfristig erklärtes Ziel und betrifft aktuell eine wichtige Radroute in Marburg. Betroffen sind der Nödelweg bei Ginseldorf, die Waldtalstraße und der Hans-Helmut-Paul-Weg und damit wichtige Verbindungen der östlichen Stadtteile zu den Lahnbergen und nach Marburg.

Im Radverkehrsentwicklungsplan der Stadt Marburg sind die Waldtalstraße und der Hans-Helmut-Paul-Weg als Bestandteil des Radwegenetzes vorgesehen!

Radverkehrsentwicklungsplan Marburg - Ausschnitt
Radverkehrsentwicklungsplan Marburg – Ausschnitt

Hinweis: Bei OpenStreetMap sind die oben genannten Wege namentlich verzeichnet.

Warum tut Hessen Forst das?

Nun, als Gründe werden Oberflächenversiegelung und der Fremdstoff Bitumen genannt.

Dass die Versiegelung bei Wegen dieser Breite keine Rolle spielt, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie des Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung und Infrastruktur des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Diese Erkenntnisse sind bei Hessen Forst offensichtlich noch nicht angekommen!

Der Asphalt als Baustoff kann in der Tat ein Problem darstellen. Problematisch wird ein vorhandener Weg aber meines Erachtens erst, wenn sich die Asphaltdecke aufgrund von Erosion auflöst. Je nach Zusammensetzung des Asphalts hat man dann eben einen Eintrag von Schadstoffen in den Waldboden. Das kann natürlich keiner wollen. Ob es sich bei der Asphaltsorte aber um eine bedenkliche (Teerhaltig oder mit erhöhtem PAK-Gehalt) handelt müsste vorher untersucht werden. Und wenn der Weg instant gehalten wird, gibt es auch keinen Eintrag von Schadstoffen.
Merkblatt Strassenaufbruch/Aspaltentsorgung (pdf)

Es ist absolut unverständlich, dass bei Forstwegen, die nachweislich dem Radverkehr dienen, ein Rückbau stattfindet.

Es liegt der Verdacht nahe, das man (Hessen Forst) die Radfahrer gar nicht im Wald haben will.

Hessen Forst beruft sich auf den eigentlichen Zweck der Forstwege. Man muss aber Tatsachen akzeptieren! Im ländlichen Raum führen Ortsverbindungen für den Radverkehr oftmals durch den Wald. Alternativen – auch Kreisstraßen – sind meist mit zu viel KFZ- und Schwerlastverkehr belastet und gefährlich!

Und auch in Marburg stellt sich Hessen Forst quer gegen die Pläne einen kleinen Radweg zu den Lahnbergen asphaltieren zu lassen. Die Begründung ist  mehr als scheinheilig:

... stellt diese Maßnahme einen gravierenden Eingriff in den Lebensraum Wald dar. Und gerade der Bereich der Lahnberge ist bereits deutlich durch infrastrukturelle Maßnahmen (Panoramastraße, verschiedene Elektro-, Gas-, Wasser-, Abwasserleitungen, Mobilfunkanlagen…) gezeichnet.

Das ist eine Frechheit! Weil man irgendwann einmal den Universitätsstandort aus Marburg vertreiben und in den Wald stecken wollte und dafür X m² asphaltierte Flächen im Wald verbaut hat (alles im Sinne des umweltschädlichen motorisierten Individualverkehr – Platz für die B3), lehnt man jetzt ein paar m² Radweg als umweltfreundliche Alternative ab?

Ich halte das für einen mittelprächtigen Skandal und kann nur hoffen, das jemand (Z. B. Tarek Al-Wazir als Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung oder Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft) ein Machtwort spricht und Hessen Forst hier zurückpfeift und ganz im Gegenteil die Ertüchtigung von Forstwegen, auf denen Radverkehr stattfindet oder stattfinden kann, sogar unterstützt.

(Alltags-)Radfahrer schaden dem Wald nicht! Wildtiere gewöhnen sich sehr gut an Radfahrer und sie werden nach einer Weile als keine größere Bedrohung wahrgenommen wie ein Fußgänger. Sportradfahrer abseits der Wege sind ein anderes Thema!

Liebe Radfahrer der Region! Welche Ihrer Wege sehen Sie von dieser radverkehrsverhindernden Maßnahme betroffen? Schreiben Sie es! Schreiben sie es hier oder den Entscheidungsträgern.

Wir haben an die zuständigen Ministerien geschrieben:
https://marburg-biedenkopf-mobil.de/2018/08/15/antwort-vom-hessischen-umweltministerium-rueckbau-asphaltierter-forstwege/
https://marburg-biedenkopf-mobil.de/2019/02/06/wirtschaftsministerium-antwortet-endlich-und-auch-nicht/

Quellen:

6 Gedanken zu „Fahrradrouten in Hessen werden zurückgebaut

  • 11. Juli 2018 um 9:36
    Permalink

    Vielen Dank für ihren Beitrag Herr Güngerich,
    Gerne unterstütze ich ihre Petition und verweise auf ihre umfangreiche Informationsseite!
    (http://gueng.bplaced.net/laufschule/html/waldtalstrasse.html)
    Was leider in der Berichterstattung und im allgemeinen Aufschrei nicht deutlich wird:
    Es handelt sich hier nicht nur um ein auf Marburg begrenztes Problem, sondern betrifft ganz Hessen.
    Wenn man die Quellen aufmerksam ließt sieht man, das der Rückbau von Asphalt auf Forstwegen ein erklärtes Ziel von Hessen Forst ist.
    Hier entscheiden ggf. Infrastrukturmaßnahmen (wie im Marburger Fall die Erneuerung der Trinkwasserleitung) darüber wann der nächste befahrbare Weg zu einer Schotterpiste abgewertet wird.
    Aus den einschlägigen Landesverbänden des ADFC oder des VCD hört man zu dem Thema leider gar nichts.
    Ich hoffe sehr, dass sich das bald ändert!

    Antwort
  • 11. Juni 2019 um 17:07
    Permalink

    Vor zwei Wochen musste ich zu meinem Entsetzen feststellen, dass auch auf dem Stück der Waldtalstrasse nach Bauerbach die Asphaltdecke zerstört worden ist. Schade um diese schöne Verbindung, ich muß nun die viel befahrene und sehr abschüßige schmale Straße nehmen. Bis eine Splitdecke vorhanden ist und vernünftig mit dem Fahrrad befahren werden kann, wird sicher auch etwas dauern.

    Antwort
  • 12. Januar 2022 um 22:15
    Permalink

    Also ich, als leidenschaftlicher Nicht-Autofahrer ohne Führerschein, ärgere mich über jeden Quadratmeter Asphalt im Wald. Fein geschotterte Waldwege sind genauso gut mit dem Fahrrad zu befahren wie Asphaltwege, und sie bleiben, wenn der Untergrund stabil ausgeführt ist, ohne Spurrillen und Löcher, bleiben also auch bei Regenwetter trocken. Trockener oftmals sogar als Wege mit Asphaltdecke.

    Ich fordere eindeutig: Kein Asphalt im Wald, schon gar nicht für Radverkehr!

    Antwort

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